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German to French: Identité et collectif: des possibilités à la subversion de l'art General field: Social Sciences Detailed field: Social Science, Sociology, Ethics, etc.
Source text - German Identität und Kollektiv
Von der Fähigkeit zur Subversivität der Kunst
SOPHIE-THÉRÈSE KREMPL
Eine Volksbefragung. 50 Jahre nach «Gulliver» soll die Schweizer Bevölkerung wieder Auskunft über ihre ‹Befindlichkeit›, ihre Verfasstheit geben. «Gulliver» hatte das Gegenteil hervorgebracht; diese Befragung hatte Auskunft über die Verfasstheit der Staatsmacht gegeben, dass nämlich jene nicht der Vernünftigkeit der Bevölkerung geschweige denn der eigenen Macht traute. «Gulliver» hatte aus einer Befragung des Volkes ein Urteil über die Staatsraison gemacht.
Ob sie ihren Zweck erfüllen oder nicht, Volksbefragungen tragen den Makel der Manipulierbarkeit. Ist eine Staatsregierung darin verwickelt, trägt jede Volksbefragung den Odeur des Autoritätsmissbrauchs; denn warum sollte eine Regierung Interesse an der Erkundung der gesamtbevölkerischen Seelenlage haben, wenn sie keine politischen Zwecke verfolgt? Eine solche Befragung bleibt instrumentell und entkommt kaum dem Bannkreis der Instrumentalisierung. Um die Wahrscheinlichkeit der Manipulation einschätzen zu können, steht also mindestens in Frage, wer die Volksbefragung durchführt und zu welchem Zweck.
So war der Ausgang von «Gulliver» durch die Einmischung der Regierung damals eigentlich abzusehen: Dem Bundesrat war die «unité de doctrine» – die unmissverständliche Geltung der Staatsdoktrin, dass die Legitimität einer Sichtweise in der Einigkeit ihrer Betrachter liegt, – ideelle und politische Leitlinie. Deshalb schürte «Gulliver» so sehr die bundesrätliche Sorge, dass diese zu einer regelrechten Angst vor dem Volk und Gulliver ein Zwerg wurde: Es hätten ja so viele Weltansichten wie Fragebögen ans Tageslicht der einigen Schweiz kommen können.
Es stellt sich die Frage, ob heute wahrscheinlicher ist, dass die Regierenden die Angst vor ihren Wählern verloren haben – oder ob eine «unité de doctrine» nicht mehr existiert. Weil wir nicht noch einen Abgesang auf die Zivilisation anstimmen wollen, nehmen wir an, dass beides im Untergang begriffen ist: der Zwang zur Einigkeit und die Angst der Regierenden vor dem Volk. Denn nicht nur der homogene Schweizer Phänotyp wird seltener, auch der Zwang, ihm zu entsprechen, wird schwächer, und so kommen immer mehr Figurationen der Vielfalt in der ohnehin längst heterogenen Eidgenossenschaft zum Vorschein. Entsprechend bat auch «Point de Suisse» nicht ‹Schweizerinnen und Schweizer›, sondern ‹Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz›, die Schweizer Bevölkerung im weiteren Sinne, um Antwort: die, die hier leben, aber möglicherweise nicht über staatsrechtlich verbindliche Nachweise ihrer Rechte und Pflichten, über kein Bürgerrecht, über keinen Schweizer Pass verfügen. Damit machen sich die Fragesteller klar der Abtrünnigkeit einer Einigkeitsdoktrin verdächtig; denn nur die Inhaberschaft über einen Schweizer Pass gestattet (und fordert den Willen zur) Identität des Einzelnen mit einem Kollektiv (gegen alle Welterfahrung allerdings). Das ist eine erste Subversion; die der staatsbürgerschaftlich noch geltenden «unité de doctrine»; die Seelenlage ‹der Schweizer› ist damit nämlich kaum zu ermitteln.
Wozu also diese Volksbefragung; was ist ihre Absicht, was will sie bewirken, wenn die Wahl der Ansprechpersonen differiert? Ist sie dennoch eine Erkundung der gesellschaftlichen Sachlage zu politischen Zwecken? Möglicherweise ja. Worin liegt dann aber der Unterschied zwischen «Point de Suisse» und einer staatsrechtlichen Volksbefragung? Nun ja, mit Sicherheit zu konstatieren ist: «Point de Suisse» fehlt die politische Legitimation und der autoritätssichernde Zweck.
Hier sind es Künstler, die eine anonyme Masse nach ihrem Zustand fragt: nach Einschätzungen, Urteilen und Selbstauskünften über politische Haltungen, gesellschaftliche Wertungen und persönliche Gefühlsstände – mit Fragen, die die Übereinstimmung von Bisherigem mit Heutigem, von Angenommenem mit Geprüftem, von Erwartetem mit Erfüllbarem, von Wirklichem und Erhofftem erkunden wollen. Die Fragen wecken Neugier nach der Übereinstimmung oder Diskrepanz von Sachlagen, Prinzipien, Überzeugungen, die der schweizerischen Staatsraison entspringen und entsprechen; sie kratzen an der Verfasstheit der Befragten in der Schweiz und stellen in Frage, ob all die Begriffe, die wir uns von den Tatsachen der Welt so laufend machen, wirklich so sind.
Warum tun die das dann? Das wissen wir nicht. Lesbar wird jedoch, was sie bewirken – eine subversive Wendung des Prinzips ‹Fragebogen›: «Point de Suisse» hat nicht bloß Neugier auf Welterfahrung. Weil die Umfrage zunächst einmal die Ergebnisse zur Verfügung stellt, ohne sie sich für andere Zwecke nutzbar zu machen, wandelt sich, was als instrumentelle Wissensabsicht der Fragenden erschien, zu einer Aufforderung zur Selbsteinschätzung der Befragten.
Selbsterkundung durch Weltbefragung
Die Fragen werden zur Aufforderung, sich angesichts der Welt nach der Sichtweise auf sie, also sich selbst zu befragen. Ein kleines Paradox, schön gewendet, möglich gemacht durch die künstlerische Perspektive; denn nur sie enttäuscht nicht immer, wenn Zwecklosigkeit behauptet wird.
Ein Mann, der sicher als Gewährsmann für «Point de Suisse» herangezogen werden darf und die Zwecklosigkeit des Fragenstellens mit besonderer Feinheit, mit sublimem Witz und offensichtlicher Neugier kultiviert hat, war Max Frisch. Seine Fragen – sie waren nicht als Volksbefragung gedacht – trieben die Heteronomität der Selbstreflexion auf die Spitze. In den Jahren zwischen «Gulliver» 1964 und den dort stärkeren, hier schwächeren Revoltenbewegungen der Nachgeborenen, zwischen 1966 und 1971, verfasst, sind sie der Beweis, dass die «unité de doctrine» in dieser Zeit die ersten Risse bekam. Frischs Fragen nach Heimat und Eigentum hätten den «Gulliver»-Bundesräten kalten Schweiß auf die Stirn getrieben.
Von selbstkritisch bleibender Moralität und offenem Zweifel an der Sinnhaftigkeit des menschlichen Zustands getrieben, führt Frisch den Leser in eine Spirale des zweifelnden Reflektierens – ohne sich davon auszunehmen. Zwar war er als Autor mehr an der Frage als an der Antwort interessiert. Doch er rettete damit die Autorität der fragenden Position und unterlief den Manipulationsvorwurf; die Fragen waren nicht zur Beantwortung geschrieben, sie blieben Fragen, gerichtet immer an den Einzelnen, nie ans Kollektiv.
Wir können von Glück sagen, dass – das kraftlose, wenn auch zähe Sterben der «unité de doctrine» erinnert uns daran – auch die Hoffnung auf eine alles bindende Einheit asymptotischen Charakter angenommen hat. Doch obwohl wir damit nicht über die Frage nach der kollektiven Identität, über die (deckungsgleiche) Übereinstimmung des einzelnen mit anderen hinaus sind; ihrer Drohung müssen wir eine Abfuhr erteilen. Sehnt sich der Einzelne noch so sehr nach einem zerfließenden Aufgehen seiner selbst in der großen Masse der Gleichheit, gelingen wird es ihm nie.
Das zeigt die künstlerische Subversivität von «Point de Suisse»: Unter dem Deckmantel der Kollektivvertretung zur Selbstbefragung verführt, muss sich der Einzelne, der vor dem Fragebogen sitzt, eingestehen, dass er in keinem einzigen Punkt Übereinstimmung mit der Masse der Unbekannten herstellen kann. Und gäbe es sie, die Übereinstimmung, wäre sie überflüssig, weil er nicht mehr unbekannt wäre, der Einzelne, weil er in seiner Identität mit der Welt bereits alles kennte. Damit verlöre er nicht nur sein Interesse an der Welt, er könnte sie gar nicht mehr erfahren.
Deshalb unterlaufen die Fragen von «Point de Suisse» zugleich die Antworten des ‹repräsentativen Einzelnen›; seine Zustimmung zu etwas schließt nie seine Zustimmung zu seinem Gegenteil aus. Die «Point de Suisse»-Volksbefragung nach Identität und Kollektiv schließt den Kreis von Frage und Antwort dort, wo Frisch in seinem Fragebogen das Dilemma der auf individueller Freiheit beruhenden Staatsordnung fand: in der Alternativlosigkeit ihres Widerspruchs. Vor dieser Einsicht dürfen Autoritätsinhaber ruhig etwas Angst haben.
Dr. Sophie-Thérèse Krempl ist Philosophin, Soziologin, Theater- und Literaturwissenschaftlerin. Sie arbeitet als Kuratorin und Dramaturgin am Konzert Theater Bern.
Translation - French Identité et collectif
Des possibilités à la subversion de l’art
SOPHIE-THÉRÈSE KREMPL
50 ans après « Gulliver », le peuple suisse est invité à partager leur humeur du moment, leur état d’esprit dans une nouvelle consultation populaire. Or« Gulliver » nous renseigna davantage sur les dispositions du pouvoir politique à se méfier de la rationalité du peuple et à douter même de son propre pouvoir. Avec « Gulliver », ce qui devait être une simple consultation populaire se profilait en raison d’état.
Qu’elles remplissent une fonction ou non, les consultations populaires ont le défaut d’être manipulables. Sitôt l’état impliqué, une consultation populaire sens l’abus d’autorité à plein nez. Si aucun but politique n’était autrement visé, quel intérêt aurait donc le gouvernement à s’enquérir de l’état d’esprit de toute une population? De telles enquêtes sont instrumentalisées et ne peuvent guère s’affranchir de cette condition. Afin d’évaluer ce degré d’instrumentalisation, la question est de savoir qui effectue ces enquêtes et dans quel but.
À l’époque, l’intervention du gouvernement laissait présager de l’issue de« Gulliver ». Pour l’état, la ligne de conduite idéologique et politique résidait dans l’unité de doctrine, une valeur sûre de la doctrine étatique, qui veut qu’une vision soit légitimée par la convergence de vues. Les préoccupations entraînées par « Gulliver » se sont muées en véritable peur du peuple pour le Conseil fédéral. Car il pût y avoir autant de visions du monde que de questionnaires dans la seule Suisse.
Le gouvernement a-t-il dompté sa peur vis-à-vis des électeurs ou l’unité de doctrine a-t-elle rendu l’âme ? Parce que nous ne voulons pas encore faire nos adieux à la civilisation, nous supposons que tous deux, l’obligation de s’unir et la peur du gouvernement vis-à-vis du peuple, sont sur le déclin. Non seulement le phénotype suisse homogène se raréfie, mais la contrainte de lui ressembler également faiblit. Ainsi, les exemples de diversité se multiplient dans une confédération déjà longtemps hétérogène. En conséquence, « Point de Suisse » propose une définition de la population suisse dans un sens plus large, à savoir les « habitants de la Suisse » par opposition à « Suisses et Suissesses », qu’ils disposent ou non de droits et d’obligations, de la citoyenneté ou d’un passeport suisse. Sans quoi s’identifier à sa collectivité serait seul légitimé (et motivé) par la simple possession d’un passeport (ce qui va à l’encontre de toute logique). C’est là une première subversion ; l’unité de doctrine citoyenne encore existante qui ne permet guère de déterminer l’état d’esprit d’une « Suisse ».
À quoi sert donc cette consultation populaire ? Quel en est le but, que voulons-nous en obtenir quand bien même le panel de participants est différent ? Est-ce qu’encore une fois l’enquête sur la situation sociale sert des fins politiques ? Eventuellement. Mais en quoi diffère une enquête de « Point de Suisse » de celle du gouvernement ? Eh bien en cela déjà que « Point de Suisse » n’a aucune légitimité politique ni fonction autoritaire.
Ici, ce sont les artistes qui questionnent les foules sur leurs ressentis, leurs opinions concernant la politique, les valeurs sociales et leurs propres situations personnelles au travers de questions mettant en relation passé et présent, suppositions et faits, réalité et attente. Les questions captivent notre attention sur les convergences et divergences de principes, de convictions, provoquées et nourries par la raison d’Etat en Suisse. Ces artistes sondent les opinions des participants et tentent de savoir si les concepts que nous pensions connaître d’ordinaire sont-ils vraiment ce qu’ils sont.
Mais pourquoi font-ils cela ? Nous ne le savons pas. L’utilisation subversive du questionnaire est néanmoins perceptible. En effet, l’intérêt de« point de Suisse » n’est pas une simple accumulation de connaissances. Sachant que les résultats sont rendus publics, sans être utilisés pour quelque autre raison que ce soit, ce qui pouvait être considéré comme une investigation instrumentalisée est en fait une exhortation à l’autoévaluation.
L’exploration du moi par le questionnement du monde
Les questions invitent à s’interroger sur sa propre vision du monde et en fin de compte à s’interroger sur soi. Une pratique paradoxale rendue possible sous couvert de l’art. Car seule la justification artistique ne déçoit pas lorsqu’aucune finalité n’est revendiquée.
Un homme qui a sans aucun doute inspiré « Point de Suisse » et qui exploitait la futilité du questionnement avec une finesse unique, un humour sublimé et une curiosité apparente n’était autre que Max Frisch. Ses questions (qui n’étaient pas vouées aux consultations populaires) ont poussé l’hétéronomie de la réflexion personnelle à son extrême. Elles ont été rédigées entre 1964, l’année de « Gulliver », et la période des mouvements de révoltes (ci et là plus ou moins intenses) orchestrés par « ceux qui viendront après » de 1966 à 1971. Elles furent la preuve d’une première brèche à l’unité de doctrine. Frisch et ses questions sur la nationalité et la propriété eurent donné des sueurs froides aux Conseillers fédéraux et leur « Gulliver ».
Max Frisch et ses questions emmènent le lecteur dans la spirale d’une réflexion dubitative, où la morale emplie d’autocritique côtoie le scepticisme quant à l’existence d’un sens à la condition humaine. Les questions plus que les réponses intéressaient l’auteur. Aussi conserva-t-il la position autoritaire de l’interrogateur tout en évitant les accusations de manipulations puisque les questions, destinées à l’individu, non au collectif, étaient prévues pour rester sans réponse.
Nous pouvons nous estimer heureux de pouvoir dire que l’espoir d’une unité de caractères asymptotiques grandit (l’affaiblissement, sinon l’agonie de l’unité de doctrine va dans cette direction). Nous n’en avons néanmoins pas terminé avec la question de l’identité collective, de la conformité des uns avec les autres. Et nous devons repousser cette menace. Celui qui aspire à se fondre dans une masse d’égaux n’y parviendra jamais.
C’est là tout l’art subversif de « Point de Suisse »: le participant du questionnaire, se devant d’admettre qu’il ne peut en aucun point se conformer à l’inconnu de la masse, est redirigé vers son questionnement personnel au lieu de son identification collective. Si tant est qu’un consensus identitaire existait, celui-ci serait superflu, car chacun connaitrait alors tout de ce monde de par sa propre identité. Il perdrait ainsi tout intérêt pour ce monde, et ne pourrait pas même en faire l’expérience.
C’est pourquoi les questions de « Point de Suisse »contournent du même coup les réponses de « l’individu représentatif ». Approuver une chose n’exclue pas l’approbation de son contraire. Au même titre que Frisch et son questionnaire, la consultation populaire de « Point de Suisse »sur l’identité et la collectivité boucle la boucle des questions et réponses sur le dilemme d’un ordre étatique basé sur les libertés individuelles ; sur une contradiction dépourvue d’alternatives. C’est de cette prise de conscience que les autorités peuvent gentiment s’alarmer.
Dr. Sophie-Thérèse Krempl est philosophe, sociologue, experte en dramaturgie et en lettres. Elle travaille en tant que curatrice et dramaturge au Konzert Theater de Berne.
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Bachelor's degree - Zurich University of Applied Sciences
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Years of experience: 10. Registered at ProZ.com: Dec 2015.
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